Testosteron bei Frauen
Testosteron gilt als wichtigstes männliches Sexualhormon, ist aber auch bei Frauen im Blut meist in höherer Konzentration vorhanden als Estradiol.1,2
Welche Funktionen hat Testosteron bei Frauen?
Estrogene gelten zwar als das vorherrschende Sexualhormon bei Frauen, tatsächlich sind jedoch auch bei Frauen die Androgenspiegel im Blutserum die meiste Zeit höher als die Estrogenspiegel. Eine Ausnahme bilden die präovulatorische und die mid-luteale Phase des Menstruationszyklus, wenn die Androgen- und Estrogenspiegel ähnlich hoch sind.1
Lange wurde angenommen, dass Estrogene wie Estradiol bei der Regulierung der weiblichen Biologie die größte Rolle spielen. Auf der anderen Seite glaubte man, dass Androgene wie Testosteron hauptsächlich für die Entwicklung und Physiologie des Mannes wichtig sind. Neueren Erkenntnissen zufolge sind jedoch in beiden Geschlechtern Estrogene und Androgene für die Regulation biologischer Prozesse entscheidend. Tatsächlich wird bei dem Konzept der „männlichen“ und „weiblichen“ Sexualhormone ein komplexes biologisches Netzwerk von Steroidwirkungen zu stark vereinfacht. Testosteron und Estradiol, wobei letzteres aus dem erstgenannten gebildet wird, spielen in vielen Organen des männlichen bzw. weiblichen Organismus eine wichtige Rolle hinsichtlich deren Entwicklung und Funktionen.1
Bei prämenopausalen Frauen werden rund 50 % des Testosterons durch die Umwandlung von Androstendion und Dehydroepiandrosteron (DHEA) in peripheren Geweben gebildet. Die Ovarien und die Nebennierenrinde tragen gleichermaßen zur restlichen Produktion des im Blut zirkulierenden Testosterons bei (zu je etwa 25 %).2
In erster Linie ist Testosteron bei Frauen für die Estradiolsynthese von Bedeutung. Durch das Enzym Aromatase wird Testosteron in Estradiol umgewandelt. Eine hohe Aromatase-Aktivität liegt vor allem in den Ovarien, aber auch im Brustgewebe, der Leber und in subkutanem Fettgewebe vor.1
Jedoch übt auch Testosteron selbst eine wichtige Funktion im weiblichen Körper aus. So finden sich Androgenrezeptoren auch im weiblichen Körper in den Zellen vieler Organe. Dazu zählen u. a. Brust, Gehirn, Knochen, Muskeln, Fettgewebe, Leber und Haut.1,3
Testosteron stimuliert geschlechtsunspezifisch über verschiedene Mechanismen den Aufbau von Muskelgewebe (s. auch Die Funktionen von Testosteron). Hierfür werden u. a. pluripotente Stammzellen stimuliert, um Satellitenzellen und Myozyten zu bilden, während die Bildung von Adipozyten gehemmt wird. Zum anderen erhöht Testosteron die Proteinbiosynthese.4 Zudem fördert Testosteron die Bildung von Erythrozyten sowie den Knochenaufbau.5 Eine libidosteigernde Wirkung von Testosteron wurde bei ovarektomierten bzw. postmenopausalen Frauen nachgewiesen.6
Im Gegensatz zu Estradiol wirkt Testosteron möglicherweise durch Bindung an den Androgenrezeptoren, die sich auch in der Brust befinden, antiproliferierend. Studiendaten sprechen sogar für eine Rolle von Testosteron bei der Prävention von Brustkrebs. Bei Frauen mit Hormonmangelsymptomen, die mit Testosteron allein oder in Kombination mit dem Aromatasehemmer Anastrozol in Form von subkutanen Implantaten behandelt wurden, traten weniger Fälle von Brustkrebs auf. Durch das Anastrozol wurde eine Aromatisierung des Testosterons in Estradiol verhindert. Mit der Kombination von Testosteron und Anastrozol (T + A-Implantate) wurden auch die Hormonmangelsymptome wirksam gelindert. Darüber hinaus blieben Brustkrebs-Rezidive aus. Wurden die T + A-Implantate in das Brustgewebe um bösartige Tumore herum platziert, nahm die Größe der Tumoren signifikant ab, was eine direkte antiproliferative, schützende und therapeutische Wirkung von Testosteron nahelegt.7
Im Verlauf der Wechseljahre kommt es aufgrund der nachlassenden Aktivität der Ovarien zu einem allmählichen Absinken der Testosteron- und Estradiolspiegel. Mit Eintritt der Menopause ist die ovarielle Hormonproduktion vollständig erloschen. Eine direkte Testosteronproduktion kann dann nur noch in der Nebennierenrinde erfolgen, weiterhin findet auch die Bildung in peripheren Geweben (insbesondere Fettgewebe) statt. Mit dem Wegfall der ovariellen Hormonproduktion bilden postmenopausale Frauen somit weniger Testosteron – und damit auch weniger Estradiol – als Frauen im reproduktiven Alter. Diese hormonelle Umstellung des Körpers kann zu verschiedenen Wechseljahresbeschwerden führen, wobei nicht jede Frau betroffen ist. Bei postmenopausalen Frauen geht der Estrogenmangel häufig mit einer reduzierten Knochendichte und somit erhöhtem Osteoporoserisiko einher.8
Behandlung von Frauen mit Testosteron
Bislang besteht kein grundsätzlicher medizinisch-wissenschaftlicher Konsens bezüglich der Diagnostik und Therapie eines Testosteronmangels bei Frauen. In Deutschland und den meisten anderen Ländern gibt es aktuell keine für Frauen zugelassene Testosteronpräparate. Dennoch werden Frauen seit Jahrzehnten mit Testosteron behandelt, um bestehende Testosteronmangelsymptome zu lindern. Somit wird Testosteron für Frauen meist off-label verschrieben.9
Ein globales Konsensuspapier zum Einsatz von Testosteron bei Frauen empfiehlt eine Testosterontherapie bei ovarektomierten oder postmenopausalen Frauen mit krankhaft vermindertem sexuellem Interesse (hypoactive sexual desire disorder, HSDD). Dabei sollten physiologische Testosteronspiegel für prämenopausale Frauen erreicht werden. Die Frauen können zudem gleichzeitig eine Estrogentherapie erhalten.10
Da in die meisten Studien ausschließlich Frauen eingeschlossen wurden, bei denen eine HSDD oder eine generalisierte (stets vorhandene) weibliche sexuelle Funktionsstörung (female sexual dysfunction, FSD) vorlag, können diese Empfehlungen jedoch nicht auf andere FSD-Subtypen oder Frauen ohne sexuelle Dysfunktion übertragen werden.9,10
Hinsichtlich der Applikationsform sollten Testosteron-Injektionen, subkutane Implantate oder andere Formulierungen, die bei Frauen zu supraphysiologischen Testosteronspiegeln führen, vermieden werden, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden.9,10
Wenn bei Frauen ein Therapieversuch angezeigt ist, sollte transdermales Testosteron bevorzugt werden. Allerdings sind in den meisten Ländern keine Testosteronpräparate für Frauen zugelassen (Ausnahme: Australien). Daher wird empfohlen, ein für Männer zugelassenes Präparat in einer reduzierten Dosis zu verwenden, mit der schätzungsweise physiologische Testosteronspiegel prämenopausaler Frauen erreicht werden.9,10
Bei der Anwendung von transdermalem Testosteron kann es bis zu sechs Wochen dauern bis es zu einer Verbesserung der HSDD-Symptome kommt, die maximale Verbesserung des sexuellen Verlangens wurde nach 12 bis 16 Wochen beobachtet. Wenn sechs Monate nach Therapiebeginn keine Besserung eingetreten ist, sollte die Behandlung abgebrochen werden, da nach diesem Zeitraum kein Nutzen mehr zu erwarten ist.9,10
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Schwangerschaft ausgeschlossen sein muss, da Testosteron schädliche virilisierende Wirkungen auf den Fötus haben kann.
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