Originalbeitrag erschienen bei andrologen.info | andro.topics
Hintergrund/Zielsetzung
Die Testosteronersatztherapie (TRT) wird häufig bei hypogonadalen Patienten angewendet, die oft älter als 50 Jahre sind. Doch die kardiovaskuläre Sicherheit der TRT ist bisher nicht gut belegt. Diese aktualisierte Metaanalyse wurde durchgeführt, um die Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) bei Patienten mit Hypogonadismus, die eine Testosterontherapie erhalten, anhand aller kürzlich veröffentlichten randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) zu bewerten.
Patienten und Methoden
Diese Metaanalyse wurde gemäß den PRISMA-Richtlinien (Preferred reporting items for systematic review and Metaanalysis) von 2020 durchgeführt. Die Autoren führten eine systematische Literatursuche nach relevanten randomisierten kontrollierten Studien von Beginn bis zum 30. September 2023 durch.
In die Auswertung kamen insgesamt 30 randomisierte Studien mit 11.502 Patienten. Das Durchschnittsalter der Patienten lag zwischen 61,61 und 61,82 Jahren.
Eignungskriterien
Die Eignungskriterien erfüllten insgesamt 30 Studien. Berücksichtigt wurden ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien mit Testosteron als Interventionsgruppe und Placebo als Kontrollgruppe, alle Studienteilnehmer waren Patienten mit Hypogonadismus, ≥18 Jahre.
Klinische Ergebnisse
Das primäre Ergebnis dieser Metaanalyse war die Gesamtmortalität. Zu den sekundären Ergebnissen zählen alle CVD-Ereignisse, Myokardinfarkt (MI) und Schlaganfälle.
Auswirkungen von exogenem Testosteron
In einer Kohortenstudie wurde die Auswirkungen von exogenem Testosteron basierend auf der Expositionsmenge ausgewertet (Wallis et al. 2016). In der Kontrollgruppe hatten Patienten im niedrigsten Tertil der Testosteronexposition ein erhöhtes Risiko für CVD-Ereignisse (HR 1,26, 95 % KI 1,09–1,46) und eine erhöhte Mortalität im Vergleich zu den Kontrollen, während Patienten im höchsten Tertil der Testosteronexposition ein geringeres Risiko für CVD-Ereignisse (HR 0,84, 95 % KI 0,72–0,98) und eine geringere Mortalität im Vergleich zu den Kontrollen aufwiesen.
Cholesterinspiegel und kardiovaskulären Ereignisse
In einer doppelblinden, placebokontrollierten randomisierten kontrollierten Studie mit Männern mit niedrigem Testosteronspiegel, die 12–24 Monate lang täglich 5 mg Testosterongel oder Placebo erhielten, konnten zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede im Cholesterinspiegel oder bei kardiovaskulären Ereignissen festgestellt werden (Kenny et al. 2010).
TRAVERSE-Studie
Die TRAVERSE-Studie (Testosterone Replacement Therapy for Assessment of Long-term Vascular Events and Efficacy ResponSE in Hypogonadal Men), eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, parallele, multizentrische Nichtunterlegenheitsstudie, untersuchte die kardiovaskuläre Sicherheit und langfristige Wirksamkeit einer Testosteronsubstitution bei Männern mittleren und höheren Alters mit Hypogonadismus und erhöhtem kardiovaskulären Risiko. Die Ergebnisse zeigten, dass TRT im Vergleich zu Placebo in Bezug auf MACE nicht unterlegen ist (HR 0,96; 95% KI 0,78 bis 1,17; p <0,001 für Nichtunterlegenheit).
Positiver Einfluss auf die Verkalkung der Koronararterien
In einer randomisierten kontrollierten Studie „Testosterone’s Effects on Atherosclerosis Progression in Aging Men (TEAAM)“ von Basaria et al. wurde bei Männern mit niedrigem oder niedrigem normalen Testosteronspiegel, die Testosterongele erhielten, kein signifikanter Unterschied in der der Verkalkung der Koronararterien beobachtet.
In einer Studie zur Identifizierung der Biomarker für Arteriosklerose wurde zudem festgestellt, dass Testosteron bei Patienten mit Arteriosklerose herunterreguliert war (Sardar et al. 2023).
Kardiovaskuläre Sicherheit der Testosteronausgleichstherapie
In einer randomisierten kontrollierten Studie (Lincoff et al.2023) erhielten Männer im Alter von 45–80 Jahren mit vorbestehender oder mit hohem Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung sowie mit symptomatischem und nachgewiesenem Hypogonadismus TRT und Placebo-Gel für eine durchschnittliche Dauer von 22 Monaten verschrieben. Obwohl bei den Patienten, die TRT erhielten, keine schlechteren Ergebnisse in Bezug auf schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse festgestellt wurden, wurde in der TRT-Gruppe eine höhere Inzidenz von Vorhofflimmern, akutem Nierenversagen und Lungenembolie beobachtet. (s. andro.topics/Juli23)
Schützende Effekte gegen schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse
Studien, die eine Untergruppenanalyse bei Patienten mit Diabetes und metabolischem Syndrom durchführten, identifizierten schützende Effekte der Testosteronsubstitution gegen schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (Corona et al. 2011, Corona et al. 2013, Cai et al. 2014). RCT liefern Beweise über eine schützende Rolle von TRT bei CVD-Morbidität bei übergewichtigen Patienten mit einem Body-Mass-Index von >30 kg/qm (Corona et al. 2018).
Hypogonadale Männer mit nichtalkoholischer Fettlebererkrankung, die mit Testosteron behandelt wurden, hatten eine geringere Gesamt- und CVD-Mortalität als Männer, die Placebo erhielten. Außerdem wurde in der Placebogruppe eine höhere Inzidenz von Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Aortenaneurysma und Lungenembolie festgestellt (Al-Qudimat et al. 2021).
Eine TRT-Supplementierung bei hypogonadalen Männern verbessert die Insulinempfindlichkeit und den Glukosespiegel, reduziert das Körperfett und erhöht die fettfreie Körpermasse – alles Faktoren, die das Risiko einer koronaren Herzkrankheit verringern (Corona et al. 2014).
Kernaussagen
- Diese Metaanalyse liefert eine äußerst umfassende und robuste Bewertung der kardiovaskulären Sicherheit von TRT. Sie zeigt, dass bei Patienten mit Hypogonadismus eine Testosteronersatztherapie das kardiovaskuläre Risiko und die Gesamtmortalität nicht erhöht.
- Weitere multizentrische RCT werden jedoch als erforderlich erachtet, um die verfügbaren Beweise durch die Einbeziehung von Patienten mit unterschiedlichen kardiovaskulären Ausgangswerten und höheren Testosteronspiegeln während der Behandlung zu untermauern.
Literatur:
Jaiswal V, et al. 2024. Association between testosterone replacement therapy and cardiovascular outcomes: A meta-analysis of 30 randomized controlled trials. Progress in Cardiovascular Diseases 85; 45–53.