Männer können im Alter, insbesondere wenn sie unter metabolischen Erkrankungen leiden, einen symptomatischen Testosteronmangel (Hypogonadismus) entwickeln. [1] Manchmal entsteht dieser auch schon in jüngeren Jahren. In Deutschland ist in der Gruppe der 60-jährigen Männer bis zu jeder Vierte betroffen. [1] Vice versa kann aber auch die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes die Folge von zu niedrigen Testosteronwerten sein. [2,3]. Nun wurden zum Zusammenhang zwischen Testosteron und Diabetes neue Daten im Rahmen der T4DM-Studie („Testosterone for Diabetes Mellitus“) veröffentlicht. [4] In die groß angelegte randomisierte placebokontrollierte Studie wurden Prädiabetiker sowie neu diagnostizierte Typ-2-Diabetiker mit niedrigen Testosteronwerten (≤ 14 nmol/l) eingeschlossen. Sie erhielten über zwei Jahre alle drei Monate entweder eine langwirksame Depotinjektion mit Testosteronundecanoat oder ein Placebo. Zudem nahmen alle Studienteilnehmer an einem Lebensstil-Programm teil. Es zeigte sich, dass in der Testosteron-Gruppe der Anteil an Männern mit einem manifesten Typ-2-Diabetes nach zwei Jahren signifikant kleiner war als in der Placebo-Gruppe. Allerdings wurde bei 22 % der Männer unter Testosteron ein unerwünschter Anstieg des Hämatokrits auf ≥ 54 % beobachtet. [4] Abnormal hohe Hämatokrit-Werte stellen eine der bekanntesten Nebenwirkungen einer Testosterontherapie dar [2] – sie treten aber in der Regel nur selten auf, wenn durch die Behandlung Testosteronspiegel bis zum mittleren Normbereich erzielt werden.
Hypogonadale Männer weisen generell ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) auf. [2,3] Auf der anderen Seite haben Typ-2-Diabetiker im Vergleich zu Nicht-Diabeti-kern auch signifikant niedrigere Testosteronspiegel. [5] Zwischen Testosteron und T2DM besteht also eine wechselseitige Beziehung, die in der T4DM-Studie näher beleuchtet wurde. [4] Randomisiert, placebokontrolliert und doppelblind wurden Männer im Alter zwischen 50 und 74 Jahren über einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht, die einen Bauchumfang von mindestens 95 cm und einen Serum-Testosteronspiegel von ≤ 14,0 nmol/l aufwiesen (aber unter keinem manifesten Hypogonadismus litten). [4] Zudem mussten die Studienteilnehmer entweder eine gestörte Glukosetoleranz ohne T2DM-Diagnose haben (2h-Glucose-Wert im oralen Glucosetoleranztest [OGTT] ≤ 270 mg/dl) oder kürzlich mit T2DM diagnostiziert worden sein. Alle Männer nahmen an einem Lebensstil-Programm teil (von WW, ehemals „Weight Watchers“). Zusätzlich erhielten sie randomisiert entweder Testosteronundecanoat (TU) i.m. alle drei Monate für zwei Jahre (2. Dosis zur Auftitrierung nach sechs Wochen; n = 504) oder Placebo (n = 503). [4]
Bessere Glucose-Werte mit Testosteron – vergleichbar mit Metformin
Nach zwei Jahren litten im Vergleich zur Placebo-Gruppe signifikant weniger Patienten der Testosteron-Gruppe an einem T2DM (12 % vs. 21 %). Bei über der Hälfte der Testosteron-Patienten normalisierte sich der Blutzucker völlig (52 % vs. 43 % in der Placebo-Gruppe). Zudem zeigten sich in der Testosteron-Gruppe auch signifikante Effekte bei zahlreichen sekundären metabolischen Parametern (u.a. Abnahme von Bauchumfang, Gesamt-Körperfett und Viszeralfett sowie Anstieg der Gesamt-Muskelmasse und Muskelkraft). [4]
Bei 22 % der Patienten kam es unter Testosteron zu einem Hämatokrit-Anstieg (Hkt) auf ≥ 54 % – im Vergleich zu 1 % in der Placebo-Gruppe. [4] Der mit i.m.-TU beobachtete unerwünschte Hkt-Anstieg könnte, so ein Fazit der Autoren, die Therapiemöglichkeiten limitieren. [4] Es ist bekannt, dass Testosteronpräparate bei unzureichender patientenindividueller Einstellung das Risiko eines Hkt-Anstiegs oberhalb des Normbereiches erhöhen können. Im Rahmen der T4DM-Studie wurde aus mehreren Gründen bewusst auf eine Dosisanpassung während des Therapieverlaufs (bei TU-Depotinjektionen durch Änderung des Injektionsintervalls alle paar Monate) verzichtet. [4] Beim Einsatz von Präparaten mit kürzerer Wirksamkeitsdauer, beispielsweise den ebenfalls häufig verschriebenen transdermalen Testosteron-Gelen, kann die Dosis hingegen sehr kurzfristig und an den individuellen Testosteron-Bedarf des Patienten angepasst werden, was das Risiko einer Hkt-Erhöhung reduziert. [2,6]
Besonders interessant war ein Vergleich mit dem etablierten First-line-Antidiabetikum Metformin, den die Autoren anstellten [4]: Der antidiabetische Effekt von Testosteron sei in der Studie größer gewesen als der von Metformin im „Diabetes Prevention Program“ [7].
Fazit
- Zwischen Testosteron und Typ-2-Diabetes besteht ein bidirektionaler Zusammenhang. [4]
- Die T4DM-Studie zeigt, dass eine Therapie mit Testosteronundecanoat (i.m.) bei Prädiabetikern das Risiko für die Entwicklung eines manifesten Typ-2-Diabetes reduziert (zusammen mit einem Lebensstil-Programm). [4]
- In der Studie sah man bei 22 % der mit Testosteron Behandelten einen Hämatokrit-Anstieg auf ≥ 54 % – eine der bekanntesten Nebenwirkungen einer Testosterontherapie, die tendenziell häufiger auftritt, wenn keine individuelle Dosisanpassung erfolgt. [2,4,6]
- Der „anti-diabetische“ Effekt der Testosterontherapie war mit Metformin vergleichbar. [4,7]
Referenzen
[1] Schneider HJ et al. Prevalence of low male testosterone levels in primary care in Germany: cross-sectional results from the DETECT study. Clin Endocrinol. 2009; 70(3): 446-454
[2] Dohle GR et al. EAU-Leitlinie „Männlicher Hypogonadismus“. J Reproduktionsmed Endokrinol 2020; 17 (2): 66-85
[3] Traish AM et al. The dark side of testosterone deficiency: II. Type 2 diabetes and insulin resistance. J Androl 2009; 30: 23-32
[4] Wittert G et al. Testosterone treatment to prevent or revert type 2 diabetes in men enrolled in a lifestyle programme (T4DM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, 2-year, phase 3b trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2021; 9: 32-45
[5] Corona G et al. Type 2 diabetes mellitus and testosterone: a meta-analysis study. Int J Androl 2011; 34: 528-40
[6] Salonia A et al. EAU Guidelines on sexual and reproductive health. Online unter: uroweb.org/guideline/sexual-and-reproductive-health (letzter Zugriff am 25.01.2021)
[7] Diabetes Prevention Program Research Group. Reduction in the incidence of type 2 diabetes with lifestyle intervention or metformin. N Engl J Med 2002; 346: 393-403