Seit Beginn der COVID-19-Pandemie wurden bereits zahlreiche epidemiologische Daten gesammelt. Es ist bekannt, dass bei bestimmten Personengruppen schwerere Verläufe bei einer SARS-CoV-2-Infektion auftreten. Hierzu zählen z.B. ältere und adipöse Menschen, Diabetiker und COPD-Patienten. Interessanterweise leiden zudem Männer häufiger als Frauen unter schweren COVID-19-Verläufen. Könnte hierbei möglicherweise das „Männlichkeitshormon“ Testosteron eine Rolle spielen? Im September 2022 wurde eine weitere Studie1 zu dieser Fragestellung veröffentlicht. Untersucht wurde, ob bei betroffenen Männern ein Zusammenhang zwischen COVID-19-Hospitalisierungsrate und Höhe des Testosteronspiegels existiert.
Die Kohortenstudie wurde in den USA durchgeführt. Insgesamt wurden 723 Männer mit einer anamnestischen COVID-19-Erkrankung eingeschlossen, wobei bei allen der Testosteronspiegel gemessen worden war. Die Männer wurden in drei Gruppen eingeteilt, je nachdem ob sie hypo- oder eugonadal waren und ob sie im Fall eines vorliegenden männlichen Hypogonadismus eine Testosterontherapie (testosterone replacement therapy, TRT) erhalten hatten. Ein Hypogonadismus war dabei definiert als ein Gesamttestosteronspiegel unter dem vom Labor festgesetzten unteren Grenzwert (je nach Labor zwischen 6,1 und 10,4 nmol/l). Den primären Endpunkt stellte die Hospitalisierung aufgrund einer COVID-19-Erkrankung dar.1
Männer mit Testosteronmangel häufiger auf der Intensivstation
Von 723 Männern erhielten 180 eine TRT, die restlichen 543 wendeten kein Testosteron an, wobei von diesen 116 hypogonadal waren. Die hypogonadalen Männer mussten signifikant häufiger wegen einer COVID-19-Erkrankung ins Krankenhaus als jene mit Testosteronspiegeln im eugonadalen Bereich (45 % vs. 12 %; p < 0,001; Abb. 1). Gleiches galt für die Intensivpflicht: 9 % der hypogonadalen und 3 % der eugonadalen Männer mussten auf die Intensivstation aufgenommen werden. Auch nach einer multivariaten Adjustierung blieb der Effekt signifikant, wobei sich das Risiko einer Krankenhausaufnahme durch einen Hypogonadismus um das 2,4-fache erhöhte. Eine adäquate TRT, also einer Therapie, mittels derer der Testosteronspiegel in den Normbereich angehoben wurde, kehrte bei den behandelten hypogonadalen Patienten die Risikoerhöhung wieder um. Bei Männern unter einer TRT, bei denen die Testosteronwerte nicht in den Normalbereich angehoben wurden, blieb das Risiko hingegen weiterhin erhöht. In der Studie hatten 69 % von den 180 mit Testosteron behandelten Männer kurzwirksame Injektionen mit Testosteroncypionat oder -enanthat erhalten, 29 % ein transdermales Testosteron-Gel und 2 % wendeten Testosteron-Pflaster an. Kein Patient erhielt langwirksames intramuskuläres Testosteronundecanoat oder ein orales Testosteronpräparat.1