Gynäkologie, Wechseljahresbeschwerden

Highlights des Kongresses der Internationalen Menopause Gesellschaft (IMS) in Melbourne

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Vom 19. bis 22. Oktober 2024 fand in Melbourne der 19. Weltkongress der International Menopause Society (IMS) statt. 2700 Teilnehmende aus aller Welt, aus Klinik und Forschung, kamen in die australische Metropole, um sich über die neuesten Forschungsergebnisse und Therapien rund um die Menopause und Frauengesundheit zu informieren und auszutauschen.

Veröffentlicht am 18.12.2024

Herr Professor Ludwig Kiesel aus Münster war vor Ort und fasst im Folgenden die aus seiner Sicht relevantesten Punkte und Empfehlungen für die klinische Praxis zusammen.

Was sind für Sie die wichtigsten Take-Home-Messages des Kongresses?

Für mich waren die wichtigsten Punkte, die ich vom Kongress mitgenommen habe:

  1. Die Hormonersatztherapie (HRT) hat differentielle Effekte in der frühen Menopause (Start vor dem 60. Lebensjahr) gegenüber dem späten Start. In der frühen Phase sind insbesondere die günstigen kardialen Wirkungen belegt.1
  2. Die leichteren Leberveränderungen („Fettleber“) haben mit ca. 25 % eine hohe Inzidenz bei Frauen nach der Menopause.2 Hier kann sich die HRT deutlich positiv auswirken.3
  3. Frauen mit vorzeitiger Menopause (vor dem 40. Lebensjahr) sollten hormonell behandelt werden. Diese Patientinnen und die differenzierten Wirkungen unterschiedlicher Präparate sollen zukünftig in Registern erfasst werden.
  4. Die klinisch-wissenschaftlichen Forschungsthemen zu den vielseitigen Veränderungen der Gehirnfunktion durch die Menopause sind deutlich in den Vordergrund gerückt. Die Wirkungen der Hormone zeigen differentielle Effekte auf diese zentralen Veränderungen.

Inwiefern hat die Menopause einen Einfluss auf die kardiovaskuläre Gesundheit?

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die Haupttodesursache für Frauen.4, 5 Prof. Sonia Davison, Endokrinologin aus Melbourne, betonte in ihrem Vortrag, dass der Übergang in die Menopause eine Phase beschleunigter kardiovaskulärer Alterung ist, vor allem aufgrund des sinkenden Estrogenspiegels.6, 7 Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt in dieser Phase erheblich an, was sich durch eine Zunahme von viszeralem Fett, Insulinresistenz, Dyslipidämie, Atherosklerose und Bluthochdruck erklärt.3, 8 Diese Veränderungen können das Risiko für das metabolische Syndrom und Typ-2-Diabetes erhöhen. Interessant für die Praxis: Besonders Frauen mit frühen, schweren oder langanhaltenden vasomotorischen Symptomen (VMS) scheinen ein erhöhtes Risiko zu haben.9 So zeigte sich in einer Studie mit peri- und postmenopausalen Frauen, dass das Risiko an einer nichtalkoholischen Fettleber zu erkranken bei Frauen mit mittelschweren bis schweren vasomotorischen Symptomen dreimal höher war als bei Frauen mit leichten Symptomen. Dies deutet auf umfassendere Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Gesundheit im Zusammenhang mit diesem hormonellen Ungleichgewicht hin.

Dennoch wird das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen für Frauen häufig als deutlich geringer empfunden als bei Männern.2 Dies könnte sicher auch ein Grund sein, warum Frauen eine höhere Mortalität und Prognose nach einem kardiovaskulären Ereignis aufweisen.1, 2

Wie wirkt sich die HRT auf das kardiovaskuläre Risiko aus?

Die HRT kann positive kardiale Effekte zeigen, wenn sie innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Menopause bzw. vor dem Alter von 60 Jahren begonnen wird.1 Allerdings wird die HRT nicht zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen empfohlen. Für Frauen mit bestehenden Risiken wird nach entsprechender Risiko-Nutzen-Abschätzung die transdermale Verabreichung von Estradiol empfohlen, da diese in Beobachtungsstudien ein geringeres Risiko für thromboembolische Ereignisse aufweist.10 Insgesamt wurde während des Kongresses betont, dass regelmäßige kardiovaskuläre Vorsorgeuntersuchungen und eine gesunde Lebensweise besonders wichtig sind.

Sie erwähnten, dass Frauen mit vorzeitiger Menopause hormonell behandelt werden müssen. Warum?

Frauen mit vorzeitiger Menopause (vor allem vor dem vierzigsten Lebensjahr) müssen hormonell behandelt werden. In der Beratung ist darauf hinzuweisen, dass die HRT eine Rolle bei der Primärprävention von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und beim Knochenschutz spielt.

Welche Erkenntnisse wurden auf dem Kongress hinsichtlich der Auswirkungen menopausal bedingter hormoneller Veränderungen auf die Gehirnfunktion vorgestellt?

Neue Daten zeigen, dass die VMS ein Risikofaktor für eine veränderte Gehirnfunktion darstellen können. Die Methoden zur objektiven Bestimmung von VMS zeigen, dass Frauen mit VMS eine verminderte Gedächtnisleistung haben. Diese objektiv gemessenen VMS weichen von den subjektiv von Frauen empfundenen VMS ab. Spezielle Untersuchungen mit funktionellem MRT (fMRT) haben Veränderungen bei neuronalen Netzwerken in bestimmten Gehirnarealen gefunden. Die Reduktion von VMS kann die Kognition bei einigen Frauen verbessern.11

Was waren für Sie weitere wichtige Punkte?

Eine frühe Menopause ist auch eine häufige Folge der Chemo- und Strahlentherapie sowie der chirurgischen Behandlung von Krebs. Krebspatientinnen können im Vergleich zu Frauen, die eine natürliche Menopause erleben, unter stärkeren Wechseljahresbeschwerden leiden. Für die HRT bestehen Einschränkungen bei Frauen mit hormonempfindlichen Krebserkrankungen.

50 bis 75 % der Frauen mit begleitender endokriner Behandlung bei Brustkrebs leiden unter vulvovaginalen atrophischen Symptomen.12 Hier kann eine ultraniedrig dosierte lokale Estrioltherapie bei Versagen nicht-hormoneller Alternativen durchaus erwogen werden.

Eine wirksame Behandlung der menopausalen Beschwerden bei Krebspatientinnen erfordert eine individuelle, multidisziplinäre Betreuung, die zwischen den verschiedenen Krebsarten unterscheidet und eine genetische Risikobewertung einschließt. Nicht-hormonelle Behandlungen sollten die erste Behandlungslinie bleiben, wobei der Einsatz einer HRT unter Berücksichtigung von Lebensqualität und Rezidivrisiko sorgfältig geprüft werden sollte.

Viel diskutiert wurde zudem der Einsatz von Testosteron bei Frauen. Anhand der vorgestellten Studien zeigte Prof. Susan Davis, Leiterin des Forschungsprogramms zur Frauengesundheit an der Monash University in Melbourne, dass die Behandlung der sexuellen Unlust oder einem verminderten sexuellen Verlangen mit persönlichen Leidensdruck in der Postmenopause die einzige evidenzbasierte Indikation für eine Testosterontherapie bei Frauen ist. Hierfür besteht derzeit nur in Australien eine Zulassung für ein transdermales Produkt. Die bestehende Evidenz unterstützt nicht die Anwendung von Testosteron für Frauen zur Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen, depressiven Symptomen, kognitiven Verschlechterungen, Muskelverlust, Osteopenie/Osteoporose oder anderen Erkrankungen. Bei der Therapie ist zu beachten: „normale“ Testosteronspiegel existieren nicht in Frauen, die eine Unterscheidung von Frauen mit sexueller Dysfunktion möglich macht. Allerdings sollten Testosteronspiegel vor Therapiebeginn bestimmt werden, um Frauen mit mittleren und hohen Werten auszuschließen und während der Therapie zur Überwachung mit Blick auf die Nebenwirkungen.

Welche Empfehlungen wurden zur Osteoporosediagnostik ausgesprochen?

Estrogene sind für den Erwerb und die Erhaltung einer hohen Knochenmasse unerlässlich, da sie auf der Ebene der Osteoklasten und Osteoblasten wirken.13 Der menopausal bedingte Rückgang des Estrogens führt zu einer beschleunigten Abnahme der Knochendichte. Ein aktuelles Review von diesem Jahr weist darauf hin, dass das Vorhandensein von VMS in der Peri- und Postmenopause mit einem höheren Grad an Knochenverlust einherzugehen scheint.14

Was ist bei der Prävention und Therapie der Osteoporose zu beachten?

Je nach Risikoeinschätzung wurden folgende Therapieoptionen empfohlen:11

  • Niedriges Risiko: HRT und Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs)
  • Hohes Risiko: Orale oder intravenöse Bisphosphonate, Denosumab oder das in Deutschland nicht verfügbare Strontiumranelat
  • Sehr hohes Risiko: anabole oder anti-resorptive Therapeutika

Frühzeitig gestartet, kann die HRT Knochenverlust verhindern und die Notwendigkeit anderer knochenspezifischer Medikationen vermeiden oder reduzieren. Auch in der Osteoporoseprävention spielen die Ernährung sowie Bewegung eine elementare Rolle. Unabhängig vom Risiko sollte immer der Calcium- und Vitamin D-Status gemessen und optimiert werden.

Interessant war in diesem Zusammenhang auch ein Vortrag zum Einfluss der Menopause auf die Muskeln. Ein Muskelabbau kann Stürze und mithin Frakturen begünstigen.

Die höchste Muskelmasse besteht bei Männern und Frauen im Alter von circa 30 Jahren. Eine wichtige Ursache für den altersbedingten Verlust an Muskelmasse scheint die Veränderung der hormonellen Aktivität zu sein, die an der Muskelregeneration und der Proteinsynthese beteiligt ist. Im Vergleich zur Prä- und Perimenopause weisen postmenopausale Frauen einen durchschnittlichen Verlust an Muskelmasse von 1,24 kg auf.

In der großen europäischen Studie MYOAGE zeigte sich, dass eine Hormonersatztherapie bei Frauen den altersbedingten Muskelabbau verringern und die Syntheserate in der Skelettmuskulatur nach körperlichem Training erhöhen könnte.15, 16

Herzlichen Dank für Ihren Bericht vom IMS-Kongress in Melbourne.

Professor Dr. med. Ludwig Kiesel

Herr Professor Dr. med. Ludwig Kiesel ist am Universitätsklinikum Münster (UKM) und in Gremien verschiedener nationaler und internationaler gynäkologischer Fachgesellschaften tätig.

Quellenangaben

  1. Hodis HN, Mack WJ. Cancer J 2022;28:208–23
  2. DiStefano JK. 2020;161(10):bqaa134
  3. Kasarinaite A et al. Cells. 2023;12(12):1604
  4. Nappi RE et al. Lancet Diabetes Endocrinol. 2022 ;10(6):442-456
  5. Nguyen A et al. Front Cardiovasc Med. 2024 ;11:1352675
  6. Davis SR et al. Cell 2023;186:4038–58. 
  7. Santoro N et al. J Clin Endocrinol Metab 2021;106:1–15
  8. Davis SR et al. Menopause. Nat Rev Dis Prim 2015;1:15004.
  9. Carson MY, Thurston RC. Curr Opin Endocr Metab Res 2023;30.
  10. Canonico M et al. Circulation 2007;115:840–5.
  11. Maki PM, Thurston RC. Front Neurol. 2020;11:562275
  12. Biglia N et al. Maturitas 2003; 45(1):29-38
  13. Shi V, Morgan EF. Bone. 2024;188:117220
  14. Anagnostis P et al. Osteoporos Int. 2024 Aug;35(8):1329-1336
  15. Westerterp KR et al. Am J Clin Nutr. 2021 Nov 8;114(5):1583-1589
  16. Sipilä S et al. Biogerontology. 2013 Jun;14(3):231-45.