Andrologie, Testosteronmangel

Androgendeprivationstherapie bei Prostatakrebs: Testosteronentzug induziert proteinkatabolen Effekt in der Leber

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Die Verfasser der aktuellen Studie hatten in einer vorausgegangenen Arbeit einen proteinanabolen Effekt von Testosteron in der Leber charakterisiert. Bei hypogonadalen Männern führte Testosteronsubstitution über signifikant herunterregulierte Harnstoffsynthese zu vermindertem Proteinverlust.

Veröffentlicht am 22.07.2019

Originalbeitrag erschienen bei andrologen.info | andro.topics

Hintergrund

Die Verfasser der aktuellen Studie hatten in einer vorausgegangenen Arbeit einen proteinanabolen Effekt von Testosteron in der Leber charakterisiert. Bei hypogonadalen Männern führte Testosteronsubstitution über signifikant herunterregulierte Harnstoffsynthese zu vermindertem Proteinverlust. Sie schlossen daraus, dass Testosteron den Proteinmetabolismus des Gesamtorganismus durch Supprimierung des Harnstoffzyklus reguliert (Lam T, et al. 2017). In Anlehnung an diese Befunde wurde hypothetisiert, dass sich unter einer Androgendeprivationstherapie (ADT) die oxidativen Proteinverluste infolge gesteigerter hepatischer Harnstoffproduktion erhöhen.

Zielsetzung

Primäres Ziel der aktuellen Studie war es zu untersuchen, ob die erhöhte hepatische Harnstoffproduktion unter den Bedingungen des drastischen Testosteronentzugs bei einer ADT als bestimmender Faktor für oxidative Proteinverluste fungiert.
Als sekundäres Ziel sollte ermittelt werden, ob die Einleitung eines progressiven Widerstandstrainings (PWT) beim Beginn der ADT Veränderungen im Proteinstoffwechsel abmildern und damit den beschleunigten Muskelkatabolismus kompensieren kann.

Teilnehmer und Methoden

In der prospektiven Studie wurden 24 Männer zu Baseline und sechs Wochen nach Einleitung einer ADT untersucht. Als hauptsächliche Endpunktmessung war die Rate der hepatischen Harnstoffsynthese vorgesehen. Weitere Endpunktmessungen erfassten die Leucin-Erscheinungsrate (LRa; Maßstab des Proteinabbaus) und die Leucinoxidation (Lox), den Energieverbrauch und die Körperzusammensetzung.

Der Gesamtkörper-Proteinmetabolismus wurde anhand des Leucin­umsatzes gemessen. Hierzu wurde den Probanden 1-[13C]-Leucin infundiert, das entweder oxidiert oder in Protein inkorporiert wird. Die Aufteilung zwischen beiden Wegen wurde aus dem Anteil des infundierten Isotops bestimmt, der im Atem auftaucht. Die Anteile des Leucinauftretens (LRa) und der Leucinoxidation (Lox) wurden berechnet. Die Harnstoff-Produktionsrate wurde anhand des Harnstoffumsatzes unter Verwendung des stabilen Isotopentracers 15N2-Harnstoff bestimmt.

Um zu bestimmen, ob die negativen ADT-Effekte durch ein Trainingsprogramm abgemildert werden können, wurden die Teilnehmer auf zwei Arme randomisiert: Dreizehn Männer absolvierten vom Beginn der ADT an ein progressives Widerstandstraining (PWT-Gruppe) und elf Männer blieben ohne Intervention (OI-Gruppe).

Ergebnisse

Baseline-Charakteristika: Das mittlere Alter der 24 Teilnehmer betrug 70,4 Jahre. Sie hatten überwiegend lokalisierten Prostatakrebs. Die Baseline-Spiegel an Testosteron und SHBG waren in der OI-Gruppe höher als in der PWT-Gruppe (p <0,05 bzw. p <0,01). Das berechnete freie Testosteron unterschied sich jedoch nicht signifikant (p = 0,1). Auch die anhand wöchentlicher Schrittzählung ermittelte körperliche Aktivität unterschied sich zwischen den Gruppen nicht signifikant.

Veränderungen des Proteinumsatzes und der Harnstoffsynthese: Nach sechswöchiger ADT wurde keine signifikante Veränderung des Proteinumsatzes (bestimmt als LRa) registriert. Es resultierte aber eine 12,6 ± 4,9%ige Erhöhung an oxidiertem Leucin (Lox/LRa als Maßstab des Anteils irreversibel verlorengegangener Aminosäuren; Abb.). Dagegen war die Rate des Einbaus von Leucin in Protein nach der ADT signifikant gesunken.

Im gesamten Studienkollektiv betrug die Rate der Harnstoffproduktion zu Baseline 427,6 ± 18,8 µmol/l. Nach der sechswöchigen ADT wurde 14,8 ± 4,1%iges Wachstum der hepatischen Harnstoffproduktion auf 486,5 ± 21,3 µmol/min registriert (Abb.; p <0,01).

Einfluss eines progressiven Widerstandstrainings: In beiden Gruppen nahm der als Lox/LRa gemessene Netto-Proteinverlust zu. Er erreichte allerdings nur in der OI-Gruppe statistische Signifikanz (p <0,05). Die Harnstoffproduktion war sowohl in der OI- als auch der PWT-Gruppe signifikant erhöht (p <0,05).

Im Gegensatz zur PWT-Gruppe war die fettfreie Körpermasse in der OI-Gruppe signifikant verringert. Das HDL-Cholesterin und die Triglyceride nahmen in beiden Gruppen zu. Signifikanz wurde aber nur in der OI-Gruppe erreicht.

Kernaussagen

  • Bereits sechs Wochen nach Einleitung einer ADT führt die Testosteronsuppression durch erhöhte hepatische Harnstoffproduktion zu gesteigertem Proteinverlust.
  • Die Einleitung von progressivem Widerstandstraining beim Beginn der ADT vermag den Verlust an Muskelmasse, höchstwahrscheinlich durch direkte Effekte am Muskel zu kompensieren.  

Referenzen:
Lam T, Poljak A, McLean M, et al. 2017. Testosterone prevents protein loss via the hepatic urea cycle in human. Eur J Endocrinol 176:489-496.

Lam T, McLean M, Hayden A, et al. 2019. A potent liver-mediated mechanism for loss of muscle mass during androgen deprivation therapy. Endocr Connect 8:605-615.