Reproduktionsmedizin

40. ESHRE-Kongress in Amsterdam: Neuigkeiten aus der Reproduktionsmedizin

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Bericht von PD Dr. med. Sören von Otte, Kiel.

Der diesjährige Kongress der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) fand 40 Jahre nach seinem ersten Jahrestreffen in Bonn, als „40. Jubiläumskongress der ESHRE“ vom 07.–10. Juli 2024 in Amsterdam statt. PD Dr. med. Sören von Otte, Universitäres Kinderwunschzentrum Kiel, berichtet über seine persönlichen Highlights des diesjährigen Kongresses.

Veröffentlicht am 09.10.2024

Bei dem 40. ESHRE-Kongress wurden u.a. neue Erkenntnisse über Progesteron bei drohender Fehlgeburt, flexibles PPOS (Progestin-Primed Ovarian Stimulation) vs. GnRH-Antagonisten-Protokoll, neue Triggervarianten zur personalisierten Ovulationsinduktion sowie das Thema Fertilitätserhalt bei Endometriose diskutiert.

Progesteron bei drohender Fehlgeburt

Die Auftakt- und Keynote-Session am Montagmorgen (Session 01) fand unter dem Vorsitz von Karen Sermon (Belgien) und Cornelis Lambalk (Niederlande) statt. Das innerhalb von sechs Monaten nach seiner Publikation meist-zitierte Paper aus Human Reproduction war die Publikation zum therapeutischen Einsatz von Progesteron bei drohender Fehlgeburt („STOP-Trial“) und wurde vom Letztautor des Papers Wentao Li (Australien) vorgetragen. Li startete mit einem Überblick zur gegenwärtigen Literatur zum therapeutischen Einsatz von Progesteron bei einer drohenden Fehlgeburt. So zeigte beispielsweise ein Cochrane-Review von 2018, dass Progesteron wahrscheinlich effektiv in der Behandlung der drohenden Fehlgeburt ist. In der PRISM-Studie von 2019 konnte die Progesteron-Gabe (2x400 mg/d bis 16. SSW) bei vaginaler Blutung in der Frühschwangerschaft die Lebendgeburtenrate in der Subgruppe bei Frauen mit vorangegangenen Fehlgeburten erhöhen. Bei Erstschwangerschaften war jedoch kein Effekt zu sehen. Hintergrund ist vermutlich, dass bei mehrfachen Fehlgeburten die Ursache nicht in einem abnormalen Karyotyp zu suchen ist, sondern meist eine Lutealphasendefizienz dahintersteckt. Der dadurch entstehende Progesteron-Mangel kann durch eine Supplementation ausgeglichen werden. 2021 wurde erneut ein Cochrane-Review zu diesem Thema publiziert, das die Ergebnisse aus der PRISM-Studie bestätigte. Auch die eingangs erwähnte Arbeit der eigenen Arbeitsgruppe von Li, des STOP-Trials, unterstützt diese These. In der doppelblinden, placebokontrollierten Studie erhielten Frauen mit drohender Fehlgeburt 400 mg vaginales Progesteron bis Ende des ersten Trimesters. Seine Arbeitsgruppe konnte keinen therapeutischen Benefit für den Einsatz von 400 mg Progesteron in einem unselektierten Patientenkollektiv bei drohender Fehlgeburt mit Blutungsbeginn bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche demonstrieren.

Fazit für die Praxis

Die Autoren betonten jedoch, dass die Progesteron-Gabe für das Subkollektiv der Patientinnen mit wiederholten Fehlgeburten – insbesondere abhängig von der Anzahl vorausgegangener Fehlgeburten – vorteilhaft zu sein scheint. Weitere randomisierte, kontrollierte Studien sind zur Bestätigung erforderlich.

Keynote-Session: CRISPR/Cas als neues Werkzeug der Gentechnologie 

Die zweite Keynote-Session beschäftigte sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der CRISPR/Cas-Technologie. In etwas mehr als einem Jahrzehnt hat die CRISPR/Cas-Technologie die wissenschaftlichen, industriellen und medizinischen Sektoren revolutioniert – es bestehen jedoch weiterhin viele technische, ethische und gesetzliche Hürden. Dies war die Hauptbotschaft eines Vortrags von Raymond Staals (Niederlande), einem Mikrobiologen, der das Gentechnikwerkzeug seit fast 14 Jahren studiert. In seiner Präsentation skizzierte Prof. Staals die Entwicklung, der mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Technologie, von ihren Ursprüngen bis zur heutigen Anwendung und gab einen Ausblick auf mögliche Einsatzzwecke in der Zukunft. Er begann damit, die Rolle von CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) in der Natur zu beschreiben. Bakterien nutzen CRISPR zur Verteidigung gegen virale Infektionen. Dieses Abwehrsystem besteht aus einem kurzen DNA-Stück namens CRISPR-Array und einer Nuklease, dem Cas-Protein. Der CRISPR-Array ermöglicht einem Bakterium, sich an Virus-DNA zu erinnern. Wenn das Virus erneut eindringt, kann das Bakterium auf Basis des CRISPR-Arrays „Leit-RNA“ produzieren. Diese kurzen Sequenzen erkennen und binden an einen spezifischen, komplementären Teil der Virus-DNA. Das Cas-Protein spaltet dann die Virus-DNA auseinander, was zum Abbau des Virus führt. Staals verglich das CRISPR/Cas-System mit einem Überwachungssystem für Ladendiebe, welches ermöglicht „bekannte Ganoven“ zu erkennen und rauszuwerfen. Die Erkenntnis, dass sich die Leit-RNA in jede gewünschte Sequenz verändern lässt, führte zum Einsatz des Systems als eine neuartige Methode der Gentechnik. Die gewünschte DNA kann von der Leit-RNA anvisiert und von Cas gezielt modifiziert werden.

Im Laufe der Zeit wurde die Technologie genutzt, um beispielsweise die DNA von Pflanzen, Mäusen und Hunden zu verändern. Im November 2023 erfolgte die weltweit erste Zulassung einer CRISPR/Cas-Genschere zur Behandlung der Sichelzellanämie und β-Thalassämie.

Darüber hinaus lässt sich das CRISPR/Cas-System noch für viel mehr einsetzen. Dazu gehört die Nutzung in der Diagnostik und die Durchführung epigenetischer Veränderungen, bei denen die Expression eines Gens verändert wird, ohne die Nukleotidsequenz der DNA zu verändern.

Herausforderungen bestehen darin, wie CRISPR/Cas-Therapien für jede Zelle im menschlichen Körper zugänglich gemacht und gleichzeitig Off-Target-Effekte vermieden werden können. Eines der größten Probleme ist, dass die Reparatur der durch CRISPR/Cas geschnittenen DNA oft ineffizient, schwer zu kontrollieren und fehleranfällig sei, sagte Stalls. Lösungen in der Entwicklung umfassen CRISPR/Cas-Werkzeuge der nächsten Generation, welche die DNA schneiden können, ohne sie zu spalten.

Weiterhin gibt es auch ethische Bedenken, sagte Stalls. Die öffentliche Meinung könnte für die Nutzung dieser Geneditierung sein, um z.B. Erbkrankheiten bei Kindern zu verhindern. Die Methode darf dabei jedoch nicht missbraucht werden, um sogenannte „Designer-Babys“ zu schaffen.

Eine weitere Überlegung ist, CRISPR/Cas zu verwenden, um bestimmte Gene zu inserieren, welche es anderen Genen ermöglichen sich schnell durch eine Population zu verbreiten. So könnten bestimmte genbedingte Krankheiten vermieden werden.

Nur „Wo ziehen wir die Grenze?“, fragte Prof. Stalls. „Das ist etwas, das wir herausfinden müssen. Denn die Technologie ist schneller als die Gesetzgebung. Also müssen wir anfangen, jetzt über diese Dinge nachzudenken.“ Es gäbe noch viele technische, ethische und vor allem praktische Fragen, die wir in den kommenden Jahren angehen sollten.

Fazit für die Praxis

Im Sinne einer Keynote handelte es sich um einen wirklich visionären Vortrag, der die Perspektiven und Chancen, aber auch die zu beachtenden Grenzen der CRISPR/Cas-Technologie, aufzeigte. Die kontrollierte Anwendung in der Humanmedizin zur genetischen Optimierung zeichnet sich bereits ab.

Flexibles PPOS- vs. GnRH-Antagonisten-Protokoll

Weitere herausragende Vorträge am Montag in der Session 03 („Smarter Strategies to optimal ovarian stimulation“) beschäftigten sich mit PPOS, also dem alternativen Einsatz von 10 mg Medroxyprogesteronacetat (MPA) zur Suppression von LH ab einer Leitfollikelgröße von 14 mm. Zhan Shi, China, stellte die eigene aktuell publizierte Arbeit vor. Es handelt sich um eine non-inferiorty, randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) zum Vergleich eines flexiblen PPOS- (fPPOS-) Protokolls mit dem klassischen GnRH-Antagonisten-Protokoll bei Patientinnen mit einem prognostizierten schlechten Ansprechen (Poor Response). Bei den 462 randomisierten Patientinnen konnte kein Unterschied in der Lebendgeburtenrate zwischen den beiden Protokollen festgestellt werden.

Fazit für die Praxis

Die erste RCT (single-center) in diesem Setting deutet darauf hin, dass es im Kollektiv der „Poor Responder“ vertretbar ist, den Antagonisten durch ein Gestagen – sogar flexibel – zu ersetzen. Bisherige Studien zur Frage der Verwendung von kostengünstigen und patientenfreundlichen Gestagenen waren nicht geeignet, um Progesteron als Alternative zu einem GnRH-Antagonisten zu bestätigen.

Die „Drei-Injektionen-IVF“

Weiter vorgestellt wurden positive Daten einer Proof of Concept-Studie einer „Drei-Injektionen-Stimulation“ mittels Anwendung eines FSH-Depots, einem neuen und lang wirksamen GnRH-Antagonisten sowie hCG zur Ovulationsinduktion (Papani-kolaou et al., Griechenland).

Neues aus der Implantationsforschung

In der „Implantationssession” am Montag (Session 06: „Therapeutic concepts in implantation and early pregnancy”) wurden neue Ansätze diskutiert, die zu einer Steigerung der Implantation führen sollen: 

Zu OXO-001, einem neuartigen nicht-hormonellen Molekül („Small molecule“), das als Implantationsverstärker getestet wird, wurden erste Daten der Phase-2-Zulassungsstudie (OXOART2) vorgestellt. Tatsächlich zeigte die Studie eine Zunahme der Implantationsrate (IR), der „ongoing pregnancy rate“ (oPR) und auch der Lebendgeburtenrate (LBR), sodass nun die Daten der noch laufenden internationalen Phase-3-Studie mit über 1000 Patientinnen mit großer Spannung erwartet werden (O-027, Arbat et al., Spanien).

Weitere Studien beschäftigten sich mit einer Reduktion der uterinen Kontraktilität durch den Oxytocinrezeptor-Antagonisten Atosiban zum Zeitpunkt des Embryotransfers (O-29), der Immunmodulation in der Implantationsphase durch den Immunsuppressor Tacrolimus (O-31) und intravenös applizierbaren Immunglobulinpräparaten (IVIG) in Kombination mit dem Steroid Prednisolon (O-32).

Antiangiogene Therapie der Endometriose durch neuen Vaginalring

In der parallel stattfindenden Session zur Bildgebung bei Endometriose wurden die Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Phase-2-Studie zum Einsatz eines neuartigen Quinagolide-Vaginalrings (QVR) bei Endometriose präsentiert. Dieser basiert auf einer Blockade der perifokalen Angiogenese (Pellicer et al., Italien).

Dual- und Double-Trigger zur personalisierten Ovulationsinduktion

Ein weiteres Highlight in diesem Jahr war die Session 11 zum Thema Dual- und Double-Trigger, die in Form eines kontroversen „Schlagabtausches“ als Pro- und Contra-Session zwischen Raoul Orvieto (Israel) („Pro“), und Anja Pinborg (Dänemark) („Contra“) ausgetragen wurde. Beim konventionellen Trigger wird hCG als Surrogathormon für das natürliche LH in der Zyklusmitte verabreicht. In den letzten Jahren wurden zwei Alternativen für ein personalisiertes Vorgehen zur Ovulationsinduktion eingeführt („tailoring the trigger“). Beim Dual-Trigger findet eine zeitgleiche Kombination von hCG und GnRH-Agonist im Antagonisten-Protokoll statt. Beim Double-Trigger wird bewusst eine zeitversetzte Kombination aus GnRH-Agonist (40 h vor Eizellentnahme) und etwas verzögert hCG (34 h vor Entnahme) eingesetzt. 

Im Fokus der Debatte standen die Effekte der Triggervarianten auf Eizellmenge und -reifegrad sowie auf das OHSS-Risiko. Der Dual-Trigger führt laut Orvieto nach Interpretation der eigenen, publizierten Daten zu signifikant mehr reifen Eizellen, mehr Embryonen, signifikant höherer cPR („clinical pregnancy rate“) und LBR („life birth rate“) (O-42). Nach Einsatz des Double-Triggers ließ sich jedoch die erwartete Menge reifer Oozyten (M2) gewinnen. Heute setzt Orvieto den Double-Trigger bei allen Fällen mit vermehrt immaturen Oozyten und Patientinnen mit einer Poor Response mit gutem Erfolg ein. Die Ovulation löst er ab einer Leitfollikelgröße von 15 mm verfrüht aus und punktiert (GnRH-Agonist 40 h/hCG 34 h vor Eizellentnahme). Für „high-responder“ empfiehlt Orvieto grundsätzlich die Alternative des Agonisten-Triggers. Für das große Kollektiv der „normal responder“ empfiehlt er dagegen den Dual-Trigger mit zeitgleicher hCG- und Agonisten-Gabe.

Anja Pinborg kritisierte in ihrer „Contra“-Position (O-43), dass es für „normal responder“ bislang keine ausreichend große randomisierte, kontrollierte Studie zum Nachweis des Nutzens des Dual-/Double-Triggers gäbe. Neben dieser limitierten Evidenz wies sie darauf hin, dass durch den Dual-/Double-Trigger die Komplexität der Therapie zunehme, die Kosten für die Patientin höher seien und die Verwendung von hCG zusätzlich zum Agonisten das Risiko für ein OHSS erhöhen würde. Die Indikation sei daher limitiert auf spezielle Fälle, wie Patientinnen mit hypogonadotropem Hypogonadismus, reduzierter ovarieller Reserve bzw. fortgeschrittenem reproduktiven Alter oder vorausgegangener schlechter Ausbeute reifer Oozyten.

Ihr Fazit lautete:

Nicht „Dual trigger for all“, sondern „Dual for some“, d. h. für ein selektiertes Kollektiv an Patientinnen.

Die AI hält Einzug in die Reproduktionsmedizin

Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) war einer der thematischen Schwerpunkte des diesjährigen ESHRE-Kongresses. So war Session 79 als eine reine AI-Session ausgelegt („Embryo Selection Refinement with AI“). Hier wurden verschiedene IVF-Laborparameter, die für eine KI-gestützte Ergebnisvorhersage geeignet erscheinen, untersucht. Beispielsweise überprüften Linara et al. (UK) von der London´s Women Clinic morphologische Parameter der Eizellqualität (Oocyte Quality, OQ), die sich für eine Vorhersage der Blastozysten-Entwicklung, insbesondere bei Eizell-Spenderprogrammen eignen (O-247).

Cao et al. (Niederlande) untersuchten embryonales Bildmaterial mit und ohne KI-gestützter Analyse unter dem Aspekt einer optimierten embryonalen Selektion. Lafuente et al. (Spanien) untersuchten, ob eine KI-gestützte Spermienmorphologie sinnvoll ist (O-308).

Darüber hinaus präsentierten Fjeldstad et al. (Kanada) ihre Arbeiten an nahezu 80.000 sonografischen Endometriumbildern zur nicht-invasiven und AI-gestützten Bewertung der endometrialen Rezeptivität (Session 05). Wiederholt wurde dabei von den diversen Autoren betont, dass AI keinesfalls einen Ersatz der menschlichen Expertise, sondern lediglich eine Ergänzung darstellen kann.

Fertilitätserhalt bei Endometriose – eine neue Indikation

Am Mittwoch ging es mit der spannenden Session zum Themenkomplex „Fertilitätserhalt bei Endometriose“ weiter. In Session 72 referierte Laurie Henry (Belgien) über Indikationen zum präventiven, fertilitätserhaltenden Vorgehen bei dieser häufigen, chronisch-progredienten Erkrankung. Die Endometriose beeinflusst wesentlich die Fertilität von Patientinnen im reproduktionsfähigen Alter. Insbesondere Endometriome und deren operative Entfernung können die ovarielle Reserve drastisch reduzieren.

Fazit für die Praxis

Fertilitätserhaltende Maßnahmen sollten vorsichtig eingesetzt werden, da internationale Leitlinien und Kosten-Nutzen-Analysen bislang fehlen. Bei Patientinnen mit bilateralen Endometriomen oder einer wiederkehrenden Erkrankung am kontralateralen Ovar, sollten allerdings Maßnahmen zum Fertilitätserhalt in Betracht gezogen werden.

Pietro Santulli (Frankreich) berichtete über Maßnahmen zum Fertilitätserhalt bei Endometriose (O-235). Dabei sollten sich die Maßnahmen an den Therapieoptionen bei Endometriose orientieren. In Frankreich erhalten mehr als 60 % der Patientinnen eine oder mehrere Operationen. Dabei wurde in einer Meta-Analyse gezeigt, dass die AMH-Werte 12 Monate nach dem Eingriff um ca. 40–60 % reduziert sind, im Vergleich zu den Werten vor der Operation. Laut Santulli besteht die wichtigste fertilitätserhaltende Maßnahme darin, Operationen zu vermeiden und stattdessen hormonelle Therapien einzusetzen. Je länger Hormontherapien eingesetzt werden, desto mehr können die Patientinnen auch von einer Linderung der Schmerzsymptomatik profitieren. Hinsichtlich der fertilitätserhaltenden Maßnahmen existieren die besten Daten für eine ovarielle Stimulation mit anschließender Oozyten-Vitrifizierung. Dabei scheint das Alter eine wichtige Einflussgröße zu sein. Bei Patientinnen über 35 Jahren sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine Lebendgeburt deutlich. Im Zusammenhang mit der ovariellen Stimulation wurden einige Risiken diskutiert. Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass Studien keine erhöhte Schmerzsymptomatik während der Stimulation gezeigt haben, die Endometriose in der Regel keine fortschreitende Erkrankung ist (insbesondere bei Amenorrhoe) und das Risiko für Infektionen gering ist. Eine antibiotische Prophylaxe ist jedoch zu empfehlen. Bei Fällen mit großen Endometriomen kann eine transvaginale Aspiration in Betracht gezogen werden.

Fazit für die Praxis

In der modernen Endometriose-Therapie sollte die medikamentöse Therapie Vorrang vor dem Einsatz von Operationen haben. Wenn fertilitätserhaltende Maßnahmen eingesetzt werden, ist die ovarielle Stimulation mit Oozyten-Vitrifizierung eine risikoarme und gut wirksame Maßnahme.

Neues um das Mikrobiom

Erneut im Fokus stand das Thema Mikrobiom in einer eigenen Session. Einer der ausgewählten wissenschaftlichen Beiträge, der entgegen bisher publizierter Daten, keine Assoziation zwischen klassischen bakteriellen Verteilungsmustern (Community State, CST) und Therapieoutcome gezeigt hat, kam aus Lübeck (Eggersmann et al., O-276).

Unerwartet und überraschend wurden jedoch in der späten Vormittagssession gegen 11:30 Uhr alle Vorträge im Konferenzzentrum abgebrochen, da eine verdächtige Tasche gefunden wurde. Bei dem nachfolgenden Großeinsatz der Polizeikräfte wurden alle weiteren Vorträge am Mittwochnachmittag abgesagt.

Auch der zweite Teil der PPOS-Session, „Smarter strategies to optimal ovarian stimulation, Part 2“ zum Einsatz von Gestagenen bei dualer Stimulation im gleichen Zyklus, bei Eizellspende oder mittels Dehydrogesteron fand leider nicht mehr statt.

Somit endete der 40. ESHRE-Kongress leider unerwartet und verfrüht – jedoch können die gehaltenen Beiträge in der ESHRE-Mediathek (https://www.eshre.eu/ESHRE2024/) auch längerfristig abgerufen werden.

Fazit

Die Keynote-Session mit der Vorstellung des meistzitierten Papers von McLindon et al. aus Human Reproduction zeigt, dass zum Thema des therapeutischen Einsatzes von Progesteron bei Fehlgeburten weiterhin großer Diskussionsbedarf besteht, und weitere klärende Studien dringend benötigt werden.

Trotz des vorzeitigen Abbruchs war auch die diesjährige Veranstaltung wieder ein herausragender reproduktionsmedizinischer Kongress. Mit Spannung erwartet wird bereits das nächste ESHRE-Jahrestreffen, welches vom 29.6. – 2.7.2025 in Paris stattfinden wird.


PD Dr. med. Sören von Otte
Ambulanzzentrum des UKSH gGmbH
Universitäres MVZ Kiel für Spezialdiagnostik und genetische Medizin
Arnold-Heller-Straße 3, Haus C
24105 Kiel