Opioid-induzierter Androgenmangel bei chronischen Schmerzpatienten

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Opioide sind eine wirksame und wertvolle Option im Rahmen der medikamentösen Therapie von chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen. Jedoch ist eine Opioidtherapie mit erheblichen Nebenwirkungen wie Obstipation, Übelkeit und Erbrechen verbunden. Des Weiteren entwickelt sich insbesondere unter einer Langzeittherapie mit Opioiden bei Männern häufig ein Opioid-induzierter Androgenmangel.1,2,3


Erniedrigte Testosteronspiegel beeinträchtigen meist erheblich die Lebensqualität der betroffenen Patienten. Sie fühlen sich oft antriebslos, müde und niedergeschlagen – was gravierende Auswirkungen auf Beruf, Freizeit und Sexualleben haben kann.4 Ein Testosteronmangel ist häufig erworben und kann auch durch bestimmte Medikamente verursacht werden. Hierzu zählen über einen längeren Zeitraum angewendete Opioide. Dies trifft auch für Opioidmissbrauch zu, beispielsweise bei Männern mit einer Heroinabhängigkeit.

Trotz hoher Prävalenz bleibt ein Opioid-induzierter Androgenmangel (opioid-induced androgen deficiency, OPIAD) bei chronischen Schmerzpatienten unter längerfristiger Opioidtherapie oft unerkannt. Studien zufolge sind über 50% der Patienten betroffen. Nichtsdestotrotz sind nur wenige Ärztinnen und Ärzte über diese häufige Nebenwirkung einer Opioidtherapie ausreichend informiert.

Alle Opioide beeinflussen die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse, wobei das Ausmaß u.a. von der Art des Opioids sowie der Dosierung, der Wirkdauer und dem Applikationsweg abhängt. Unter Opioidanwendung wird unter anderem die Ausschüttung des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) sowie des follikelstimulierenden Hormons (FSH) gehemmt. Ohne GnRH bleibt die Sekretion des luteinisierenden Hormons (LH) aus der Hypophyse aus. LH wird jedoch benötigt, um die Testosteronsekretion aus den Leydig-Zellen im Hoden zu stimulieren. Somit wird die endogene Testosteronproduktion durch eine Opioidgabe inhibiert. Zudem wird noch verfügbares Testosteron durch die Stimulation des Enzyms 5α-Reduktase vermehrt in Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt (Abb. 1).1,2,3

Abbildung 1: Zusammenfassung der Mechanismen, die an der Pathogenese eines Opioid-induzierten Androgenmangels (OPIAD) beteiligt sind.1

Leitlinienempfehlungen zum Opioid-induzierten Hypogonadismus

In der S3-Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS), 2. Aktualisierung, 2020“ wird darauf hingewiesen, dass die Anwendung von Opioiden zu einem Hypogonadismus führen kann.5 Zudem definiert die Leitlinie „Sexual and Reproductive Health“ der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) eine Opioidtherapie als eine Medikamentenbehandlung, bei der ein Testosteronmangel verbreitet ist und eine Behandlung indiziert sein könnte.4

Dementsprechend sollten behandelnde Ärztinnen und Ärzte bei Langzeit-Opioid-Patienten wissen, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit einen OPIAD entwickeln werden. Diese Risikopatienten sollten ausdrücklich über die möglichen Nebenwirkungen einer Opioidtherapie aufgeklärt und im Therapieverlauf nach entsprechenden Symptomen befragt werden. Zudem sollten die Testosteronspiegel vor und während einer Opioidtherapie regelmäßig gemessen werden.3 Zur Vermeidung eines OPIAD ist grundsätzlich zu prüfen, ob anstelle einer Opioidtherapie eine andere Therapieoption infrage kommt. Sollte sich eine Opioidtherapie nicht vermeiden lassen, kann ein OPIAD bei betroffenen Männern gemäß der EAU-Leitlinienempfehlung4 mittels einer Testosterontherapie behandelt werden, um die Testosteronmangel-bedingten Symptome zu lindern und infolgedessen die Lebensqualität zu erhöhen.1

Effekte einer Testosterontherapie bei Langzeit-Opioid-Patienten in Studien

Studien zeigen, dass eine Testosterontherapie bei OPIAD-Patienten Testosteronmangel-assoziierte Symptome reduzieren und somit die Lebensqualität der Betroffenen erhöhen kann.3

In einer Kohortenstudie mit Daten von 21.272 Männern unter einer Langzeit-Opioidtherapie wurde gezeigt, dass sich eine Testosterontherapie in mehrfacher Hinsicht positiv auswirkte: Im Vergleich zu den Patienten ohne Testosterontherapie hatten jene mit Testosterontherapie eine signifikant niedrigere Gesamtmortalitätsrate sowie eine signifikant geringere Inzidenz an schweren kardiovaskulären Ereignissen, Frakturen und Anämien.6

Im Rahmen einer randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie wurde mit Hilfe einer transdermalen Testosterontherapie neben den positiven Effekten auf die Sexualfunktion, die Lebensqualität und die Körperzusammensetzung auch eine Reduktion der Schmerzempfindlichkeit bei Patienten mit einem Opioid-induzierten Androgenmangel verzeichnet.2

Sie möchten mehr über OPIAD und dessen Behandlung erfahren? Lesen Sie dazu unsere Artikel „Testosteronmangel unter Opioid-Einnahme“ und „Testosteronausgleich bei Schmerzpatienten mit Opioid-induziertem Hypogonadismus“.

Kasuistiken zu den Effekten einer Testosterontherapie bei OPIAD-Patienten

In Fallbeispielen aus der medizinischen Praxis spiegeln sich die positiven Effekte einer Testosterontherapie auf verschiedene Parameter des Gesundheitszustandes hypogonadaler Männer bei Opioidanwendung wider. Im Nachfolgenden können Sie sich zwei Kasuistiken zu diesem Thema aus der andrologischen Ambulanz von Herrn Prof. Michael Zitzmann aus Münster durchlesen.

Wenn Sie darüber hinaus Fragen zum Thema Testosteronmangel haben, nutzen Sie unsere Hormonsprechstunde und stellen Sie Ihre Frage an unseren Experten Herrn Prof. Michael Zitzmann.

Weitere Informationen zum Thema Testosteronmangel

Die Diagnose eines männlichen Hypogonadismus basiert immer auf typischen Symptomen eines Androgenmangels sowie niedrigen Testosteronspiegeln bei mindestens zweimaliger Messung.4 Mit unseren downloadbaren Servicematerialien geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über die Erkennung, Diagnose und Therapie eines Testosteronmangels. Auch können Sie sich den AMS (Aging Males‘ Symptom Rating Scale)-Fragebogen herunterladen, der für die Anamnese von Hormonmangel-Beschwerden bei Ihren Patienten hilfreich sein kann. Ebenso eignet er sich sehr gut für Verlaufskontrollen nach Beginn einer Testosterontherapie.

Fortbildungsangebote zum Opioid-induzierten Hypogonadismus

In unserem aufgezeichneten Webinar mit Herrn Priv.-Doz. Dr. Stefan Wirz erhalten Sie praktische Hinweise von einem erfahrenen Schmerzspezialisten zur Erkennung und Behandlung eines OPIAD. 

Wenn Sie weitere wissenschaftliche Informationen zum Thema Testosteronmangel erhalten möchten, melden Sie sich für unseren regelmäßigen Fachkreis-Service an.


Mehr zum Thema

  1. Coluzzi F et al. Testosterone Deficiency in Non-Cancer Opioid-Treated Patients. J Endocrinol Invest. 2018; 41:1377-88.

  2. Basaria S et al. Effects of testosterone replacement in men with opioid-induced androgen deficiency: a randomized controlled trial. Pain. 2015; 156(2): 280-8. 

  3. Bawor M et al. Testosterone suppression in opioid users: A systematic review and meta-analysis. Drug and Alcohol Dependance. 2015; 149:1-9.

  4. Salonia et al. Guidelines on Sexual and Reproductive Health. Chapter 3: Male Hypogonadism. European Association of Urology 2024. Online unter: https://uroweb.org/guidelines/sexual-and-reproductive-health/. Letzter Zugriff: 25.07.2024.

  5. Häuser W et al. 2. Aktualisierung der S3 Leitlinie „Langzeitanwendungen von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen „LONTS“. Der Schmerz 2020; 34, 204-244. Online unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/145-003. Letzter Zugriff: 01.06.2024.

  6. Jasuja GK et al. Health Outcomes Among Long-term Opioid Users With Testosterone Prescription in the Veterans Health Administration. JAMA Network Open. 2019; 2(12):e1917141.