Diagnose eines männlichen Hypogonadismus
Aufgrund der variablen klinischen Ausprägung sowie der zum Teil eher unspezifischen Symptome wird ein männlicher Hypogonadismus nicht immer gleich erkannt. Bei Verdacht auf einen Mangel sollte der Testosteronspiegel bestimmt werden.
Gemäß der Leitlinie „Sexual and Reproductive Health“ der European Association of Urology (EAU) liegt ein Männlicher Hypogonadismus nur dann vor, wenn dauerhafte typische klinische Symptome und der gesicherte laborchemische Nachweis des Testosterondefizits bestehen.1
Anamnese und körperliche Untersuchung
Die andrologische Diagnostik umfasst neben der Anamnese auch die körperliche Untersuchung. Hierfür kommen bildgebende Verfahren wie eine Sonographie der Hoden zum Einsatz. Bei Verdacht auf eine zentrale Ursache sollte eine Magnetresonanztomographie der Hypophysen-Hypothalamus-Region erfolgen. Eine Laboranalytik der betroffenen Hormonachse ist selbstverständlich. Sollte im Alter ein Kinderwunsch bestehen, wird auch die Fertilität abgeklärt.2
Laborchemische Diagnostik
Die Testosteronsekretion unterliegt Tagesschwankungen. Daher werden die Serumwerte aus morgendlich gewonnenen Proben bestimmt, vorzugsweise im nüchternen Zustand, da die Testosteronproduktion durch Nahrungsaufnahme oder Glukose unterdrückt werden kann.2
Zur initialen Diagnostik ist die Bestimmung des Gesamttestosterons am Morgen ausreichend (Blutabnahme zwischen 7 und 11 Uhr). Beträgt dieser Wert ≥ 12 nmol/l (3,5 ng/ml), ist meistens keine weitere Diagnostik nötig. Besteht allerdings klinisch ein Verdacht auf eine komplexere endokrinologische Erkrankung, so sind hier zusätzliche andrologische Parameter (Inhibin, LH, FSH, SHBG) und andere endokrinologische Parameter (Cortisol; TSH, fT3, fT4; IGF-1; Prolaktin) zu bestimmen.2,3
Gemäß der EAU-Leitlinie „Sexual and Reproductive Health“ stellt ein Grenzwert von 12 nmol/l (3,5 ng/ml) für das Gesamttestosteron einen zuverlässigen Schwellenwert für die Diagnose eines männlichen Hypogonadismus dar.1 Liegt der morgendliche Gesamttestosteronwert bei zwei oder mehr Messungen (mindestens zwei unabhängige Bestimmungen im Abstand von max. 4 Wochen) unter 12 nmol/l (3,5 ng/ml), sollten zusätzlich das luteinisierende Hormon (LH), Prolaktin und das sexualhormonbindende Globulin (SHBG) bestimmt werden.1,2,3
Bei zweimaliger morgendlicher Bestimmung eines Gesamttestosterons unter 8 nmol/l (2,3 ng/ml) gilt die Diagnose Männlicher Hypogonadismus belegt, im Graubereich zwischen 8 und 12 nmol/l (2,3–3,5 ng/ml) soll der Wert des freien Testosterons mitberücksichtigt werden. Hierbei ist die Berechnung des freien Testosterons gemäß der Vermeulen-Formel4 die einzige valide Methode. Das freie Testosteron kann z.B. mit Hilfe eines „Kalkulators für freies Testosteron“ online berechnet werden. Assays zur Bestimmung des freien Testosterons und auch der freie Androgenindex (FAI) sind diesbezüglich obsolet.2,3 Die EAU-Leitlinie legt für das freie Testosteron einen Grenzwert von 220 pmol/l (6,35 ng/dl) für die Diagnose eines männlichen Hypogonadismus nahe.1
Diagnostik des männlichen Hypogonadismus
Die Schritte zur Diagnose eines Hypogonadismus, die Unterscheidung der Hypogonadismus-Art und Therapieoptionen sind in Abbildung 1 zusammengefasst.3
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Salonia et al. Guidelines on Sexual and Reproductive Health. Chapter 3: Male Hypogonadism. European Association of Urology 2024. Online unter: https://uroweb.org/guidelines/sexual-and-reproductive-health/. Letzter Zugriff: 25.07.2024.
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Zitzmann M. Testosterontherapie im Alter bei Hypogonadismus und Komorbiditäten. Internist. 2020; 61: 549–557.
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Diederich S. Differenzialdiagnostik und -therapie. Kompendium Urologie 2022; 36–40.
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Vermeulen A et al. A critical evaluation of simple methods for the estimation of free testosterone in serum. J Clin Endocrinol Metab. 1999; 84(10):3666-72