Risiken bei der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva

Vor Beginn der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva muss insbesondere das Risiko für venöse Thromboembolien überprüft werden.


Risikofaktoren

Rauchen erhöht das Risiko für schwere kardiovaskuläre Nebenwirkungen von kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK). Dieses Risiko nimmt mit zunehmendem Alter und Zigarettenkonsum zu und ist besonders ausgeprägt bei Frauen über 35 Jahren. Frauen über 35 Jahren, die rauchen, sollten daher andere Verhütungsmethoden anwenden. Die Einnahme von KOK ist mit einem erhöhten Risiko für verschiedene schwerwiegende Erkrankungen wie Herzinfarkt, Thromboembolie, Schlaganfall oder Leberneoplasien verbunden. Weitere Risikofaktoren für die Entstehung einer Thrombose sind u.a. familiäre Belastung oder bereits vorausgegangene thromboembolische Erkrankungen, Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, arterielle Hypertonie, Bewegungsmangel, chirurgische Eingriffe oder Diabetes mellitus.1

Welche Risiken birgt die Anwendung kombinierter Kontrazeptiva?

Ergebnisse epidemiologischer Studien weisen auf eine Verbindung zwischen der Einnahme kombinierter oraler Kontrazeptiva und einem erhöhten Risiko venöser und arterieller thromboembolischer Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, tiefe Venenthrombose und Lungenembolie hin.2,3,4,5 Allerdings sind diese Ereignisse selten.

Im Ergebnis eines europäischen Risikoverfahrens zu bestimmten hormonellen Kontrazeptiva wurden im Rote-Hand-Brief vom Januar 2014 erstmals Schätzungen des Risikos venöser Thromboembolien (VTE) mitgeteilt.6 In die Fachinformationen und Beipackzettel der betroffenen Kontrazeptiva mussten diese Schätzungen aufgenommen werden. Im Dezember 2018 und September 2021 wurden weitere Rote-Hand-Briefe zum VTE-Risiko von kombinierten hormonellen Kontrazeptiva (KHK) versendet. Bei der Verschreibung eines oralen, vaginalen oder transdermalen KHK sollten die VTE-Häufigkeiten berücksichtigt werden (Tab. 1).7,8

Tabelle 1: VTE-Risiko kombinierter hormoneller Kontrazeptiva8,9

E2 = Estradiol; EE = Ethinylestradiol. 

a Neuere Daten deuten darauf hin, dass das VTE-Risiko für Seasonique (84 Tage 150 μg Levonorgestrel in Kombination mit 30 μg Ethinylestradiol danach 7 Tage 10 μg Ethinylestradiol) im Vergleich zu Levonorgestrel-haltigen KHK, die in einem 28-Tage-Zyklus angewendet werden, 1,4-fach höher sein kann (HR 1,40; 95%-KI 0,90 – 2,19). Zudem könnte das VTE-Risiko bei Frauen, die Seasonique als erste orale Empfängnisverhütung verwenden, weiter erhöht sein [gemäß Fachinformation, Stand 03/2021]. 

b Basierend auf dem 95%-Konfidenzintervall des Hazard Ratios (HR) und der Spannbreite der geschätzten Inzidenz für Levonorgestrel (5-7 pro 10.000 Frauen und Anwendungsjahr). 

c Um aussagekräftige Daten für das Risiko dieser Präparate erheben zu können, werden derzeit weitere Studien durchgeführt.

VTE sind vor allem tiefe Beinvenenthrombosen (etwa zwei Drittel) und seltener Lungenembolien (etwa ein Viertel), die am häufigsten durch einen verschleppten Beinvenenthrombus entstehen. In 1–2% der Fälle führt eine VTE zum Tode.

Äußerst selten wurde bei KHK-Anwenderinnen von Thrombosen in anderen Blutgefäßen, z.B. hepatischen, renalen, zerebralen oder retinalen Venen oder Arterien berichtet.

Das VTE-Risiko bei Anwendung von KOK bzw. KHK steigt mit:10

  • zunehmendem Alter
  • positiver Familienanamnese (venöse Thromboembolie bei einem der Geschwister oder einem Elternteil in relativ jungen Jahren)
  • längerer Immobilisierung
  • Adipositas (Body Mass Index >30 kg/m2)

In der S3-Leitlinie Hormonelle Empfängnisverhütung aus dem Jahr 2020 findet sich folgende Aussage: „Kombinierte Kontrazeptiva erhöhen das VTE-Risiko signifikant. Dies gilt explizit auch für die parenteralen Anwendungen (Vaginalring, Verhütungspflaster).

Gestagenmonopräparate sind, ausgenommen die Dreimonatsspritze (DMPA), nicht mit einem erhöhten VTE-Risiko assoziiert.“10

Zudem scheint das VTE-Risiko bei KOK bzw. KHK von der Estrogen-Dosis sowie dem verwendeten Gestagen abzuhängen. Bei Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko können daher laut Leitlinie mit der Ausnahme von DMPA Gestagenmonopräparate angewandt werden.10

Abbildung 1: Vorgehen zur Minimierung kardiovaskulärer Ereignisse bei Verwendung kombinierter hormoneller Kontrazeptiva (KHK) (VTE = venöse Thromboembolien).


Mehr zum Thema

  1. Winkler, U. (2005). Hormonale Kontrazeption. In F. Leidenberger, T. Strowitzki, & O. Ortmann (Hrsg.), Klinische Endokrinologie für Frauenärzte (3. vollständig überarbeitete und erweiterte Ausg., S. 221-58). Heidelberg: Springer Medizin Verlag.

  2. Lidegaard, Ø., et al. (2011, Oct). Risk of venous thromboembolism from use of oral contraceptives containing different progestogens and oestrogen doses: Danish cohort study, 2001-9. BMJ, 343, p. d6423.

  3. Lidegaard, Ø., et al. (2012, Jun). Thrombotic stroke and myocardial infarction with hormonal contraception. N Engl J Med, 366(24), pp. 2257-66.

  4. Stegeman, B., et al. (2013, Sep). Different combined oral contraceptives and the risk of venous thrombosis: systematic review and network meta-analysis. BMJ, 347, p. f5298.

  5. Vinogradova, Y., Coupland, C., & Hippisley-Cox, J. (2015, May). Use of combined oral contraceptives and risk of venous thromboembolism: nested case-control studies using the QResearch and CPRD databases. BMJ, 350, p. h2135.

  6. Rote-Hand-Brief. Kombinierte hormonale Kontrazeptiva: Unterschiede hinsichtlich des Thromboembolie-Risikos unterschiedlicher Präparate; Bedeutung von individuellen Risikofaktoren und Beachtung von Anzeichen und Symptomen (30. Januar 2014). Online unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2014/rhb-khk.pdf?__blob=publicationFile. Letzter Zugriff: 15.05.2024.

  7. Rote-Hand-Brief zu dienogest- und ethinylestradiolhaltigen Kontrazeptiva: Risiko venöser Thromboembolien (11.12.2018). Online unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2018/rhb-dienogest-ethinylestradiol.html. Letzter Zugriff: 15.05.2024.

  8. Rote-Hand-Brief zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva: Verordnung solcher mit dem niedrigsten Risiko für venöse Thromboembolien und Nutzung des behördlich beauflagten Schulungsmaterial (30.09.2021). Online unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2021/rhb-khk.html. Letzter Zugriff: 15.05.2024.

  9. Venöse Thromboembolien und kombinierte hormonale Kontrazeptiva. Online unter: www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Themendossiers/Kombinierte-hormonale-Kontrazeptiva/KOK.html. Letzter Zugriff: 15.05.2024.

  10. S3-Leitlinie Hormonelle Empfängnisverhütung. AWMF-Registernummer: 015-015. Stand September 2020, Version 1.2. Online unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-015. Letzter Zugriff: 15.05.2024.